Kugelsternhaufen Marke „Palomar"

Wolfgang Steinicke

 

Ein Blick in einen Katalog galaktischer Kugelsternhaufen, z.B. von Harris [1], zeigt, daß die meisten Objekte bereits im NGC enthalten sind (108 von 147). Sie wurden sämtlich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts visuell entdeckt. Nur 8 Kugelsternhaufen kamen später im IC hinzu, wobei IC 1257 erst 1996 identifiziert wurde (er galt lange Zeit als offener Sternhaufen). Die restliche Objekte aus Harris' Liste sind erst in jüngster Zeit auf photographischen Aufnahmen gefunden wurden. Die meisten davon auf dem „Palomar Observatory Sky Survey" (POSS), der von 1949-57 aufgenommen und 1958 publiziert wurde. Die Astronomen auf dem Mt. Palomar waren überaus neugierig und inspizierten die 48"-Schmidt-Platten, die jeweils ein Feld von 6° x 6° zeigen, unmittelbar nach ihrer Aufnahme. Man fand eine Fülle neuer nichtstellarer Objekte. Die 15, heute unter der Bezeichnung „Palomar" (Abkürzung: Pal) bekannten Kugelsternhaufen (Abb. 2 bis 4) wurden innerhalb von 10 Jahren (zwischen 1949 und 1959) von verschiedenen Astronomen entdeckt. 13 von ihnen finden sich in der berühmten Arbeit von George Abell (Abb. 1) von 1955 [2]. In dieser Arbeit sind auch die, zum großen Teil von ihm selbst gefundenen Planetarischen Nebel erstmals aufgelistet. Zunächst wurden die 13 Palomar-Haufen in der Literatur mit „Abell" bezeichnet. So etwa im Katalog von Alter (1958), in dem für einige Palomar-Haufen fehlerhafte Koordinaten angegeben sind. Es war Helen Sawyer-Hogg, die in ihrem Katalog von 1959 [3] die Bezeichnung „Pal" einführte. Dies war wohl notwendig geworden, um Verwechslungen mit den - ebenfalls „Abell" genannten - Planetarischen Nebeln zu vermeiden (Abell's Arbeit von 1966 enthält 86 dieser Objekte). Gehen wir zurück ins Jahr 1949, zum vermeintlichen Anfang der Entdeckungsgeschichte der Palomar-Haufen.

Abb. 1 - George Odgen Abell (1927-1983)

 

Entdeckung

Edwin Hubble war bereits 60 Jahre alt, als der neue „Big Schmidt" auf dem Mt. Palomar die ersten Testaufnahmen für den geplanten Sky Survey machte. Auf einem Feld im Ursa Major fand er 1949 bei 11h einen unbekannten Kugelsternhaufen, der später als "11h cluster" zitiert wurde (Pal 4, s. Tab. 1). Auf Palomar kamen die bedeutendsten Astronomen der Zeit zusammen. Sie inspizierten die Schmidt-Platten und die neuentdeckten Objekte zirkulierten via „private communication". Es war eine turbulente Zeit und die Entdeckungsgeschichte der Palomar-Haufen läßt sich im nachhinein nur noch grob rekonstruieren. Albert Wilson, der u.a. durch die Entdeckung von 26 „peculiar galaxies" bekannt ist (die in Arp's Atlas von 1966 aufgenommen wurden), fand Hubble's Haufen später auf der POSS-Platte von 1950. Die nächste Entdeckung (Pal 5 in Serpens Caput) gelang Walter Baade im Jahr 1950. Ein Jahr später untersuchte der italienische Astronom Leonida Rosino fünf Haufensterne und schätzte die Entfernung auf 27,6 kpc, für Kugelhaufen ein beachtlicher Wert. Albert Wilson fand das Objekt auf der POSS-Platte von 1955. Baade und Wilson hatten bereits 1952 den "10h cluster" (Pal 3) im Sextanten entdeckt. Wilson fand 1953 den Haufen Pal 13 im Pegasus. Im gleichen Jahr kam Pal 12 im Steinbock hinzu. Entdecker waren Fritz Zwicky (der den Namen „Capriconus System" prägte) und Robert Harrington. Sie publizierten ihren Fund im Jahrbuch des Palomar Observatoriums von 1953/54. Harrington hatte bereits 1950, zusammen mit Wilson, die beiden Zwerggalaxien im Löwen (Leo I und II) entdeckt [4] und sie sind auch die Entdecker des Kometen D/1952B1 („Harrington-Wilson").

George Abell fand zwischen 1952 und 1954 insgesamt 5 weitere Haufen: Pal 1, 6, 7, 8 und 9. Allan Sandage nahm bis 1955 einige Objekte (Pal 1, 3, 4, 5, 12 und 13) mit dem 200"er auf. Diese Bilder ließen keinen Zweifel, daß es sich um weit entfernte galaktische Kugelsternhaufen handelte.

Etwas kurios ist die Veröffentlichung der Resultate. Wilson berichtete 1955 auf einer Konferenz in Berkeley über die neuen Kugelsternhaufen und publizierte im gleichen Jahr eine erste Liste im Band 67 der „Publications of the Astronomical Society of the Pacific" [5]. Sie enthält allerdings nur Pal 3, 4, 5 und 13. Es ist ein Rätsel, warum Pal 12 (trotz Zwicky's Veröffentlichung) sowie einige bereits von Abell gefundene Haufen fehlen. Hat hier die Kommunikation nicht gestimmt oder war Wilson (nun am Lowell Observatorium in Flagstaff) zu weit vom Schuß? Kurz nach dem Berkeley-Meeting, aber wohl nicht mehr rechtzeitig für sein PASP-Paper, fand er drei weitere Haufen: Pal 2 im Fuhrmann, Pal 10 im Pfeil und Pal 11 im Adler. Im gleichen Band 67 erschien auch Abell's berühmte Liste mit 13 Objekten [2], darunter auch die drei neuentdeckten von Wilson!

1958 kam ein weiterer Kugelsternhaufen im Herkules dazu, den Sidney van den Bergh auf dem nun fertigen POSS fand. Arp nahm das Objekt mit dem 200"er auf und beide publizierten 1960 die Ergebnisse [6]. Währenddessen war auch Zwicky nochmal erfolgreich und fand 1959 einen Haufen im Ophiuchus. Die beiden Objekte wurden erst im Katalog von Kukarkin (1974) mit Pal 14 und 15 bezeichnet. Sie wurden später von Harris u. van den Bergh [7] eingehend untersucht. Sortiert man alle Palomar-Haufen nach Rektaszension, so stören Pal 14 und 15 die himmlische Ordnung, sie liegen zwischen Pal 5 und Pal 6.

Frühe Arbeiten zu Palomar-Haufen erschienen von van den Bergh [8] über Pal 4, Burbidge u. Sandage [9] über Pal 3 und 4 sowie von Kinman u. Rosino zur Photometrie verschiedener Haufen [10]. Letztere enthält auch eine Untersuchung des „Kugelsternhaufens" Shakhbazian 1. Hierbei handelt es sich aber in Wirklichkeit um eine extrem kompakte Gruppe kompakter Galaxien.

 

Abb. 2 - Die Palomar-Haufen Pal 1, 2, 3, 4 und 5. Alle Aufnahmen sind aus dem POSS II und zeigen ein 5' x 5' großes Feld (Ausnahme: Pal 5 mit 10' x 10'). Der 9m Stern südöstlich von Pal 5 ist SAO 120924.


Identifikation

Schaut man sich die Identifikationen (Einträge des Objekts in anderen Katalogen) in Tab. 1 an, so fallen zwei sofort auf: Pal 7 = IC 1276 und Pal 9 = NGC 6717. Die Entdeckungsgeschichte beginnt demnach also wesentlich früher! William Herschel bemerkte am 7. August 1784 einen „very faint nebula" (seine Klasse III) im Schützen, der die Bezeichnung III 143 erhielt. Er beschrieb das Aussehen in seinem 18,7" Newton-Teleskop (f/12,7) mit „klein, rund" und er glaubte eine Mischung aus Sternhaufen und Nebel zu sehen. Im „General Catalogue" seines Sohnes John bekam das Objekt die Bezeichnung GC 4444. Dreyer nahm es 1888 in den „New General Catalogue" auf. 1931 hat Per Collinder NGC 6717 als Kugelsternhaufen erkannt. Nicht ganz klar ist, wer das Objekt später mit Pal 9 identifiziert hat (vermutlich war es Alter 1958). Etwas Verwirrung stiftet IC 4802, von Guillaume Bigourdan am 30. Juni 1884 visuell mit dem 31cm Refraktor des Pariser Observatoriums entdeckt (Nr. 434 in seiner Liste). Er notiert dazu: „nebulous star of 13m, 15" north following NGC 6716". Sechs Jahre später suchte er das Objekt noch einmal auf. Es handelt sich um eine kleine Sterngruppe („clump") im nordöstlichen Teil des Haufens (siehe Abb. 3). Sie trägt im ESO-Katalog die Bezeichnung ESO 523-*15 (dort steht allerdings eine Distanz von 2' zu Pal 9, korrekt sind 0,4').

Das andere NGC/IC Objekt ist IC 1276 in Serpens Cauda, das Lewis Swift am 10. April 1889 mit dem 16" Refraktor des Warner & Swasey Observatoriums, Rochester, entdeckte. Er beschrieb es als „extrem schwach, sehr groß, sehr diffus" und bemerkte einen Doppelstern unmittelbar westlich. Dreyer nahm dieses Objekt 1895 in den „First Index Catalogue" auf. Vermutlich war es ebenfalls Alter (1958), der die Identität mit Pal 7 feststellte. Etwas kurios ist die Bezeichnung Simeis 129 aus dem Katalog diffuser Emissionsnebel von Gaze u. Shajn (1951). Es kommt häufig vor, daß ein Sternhaufen mit einem Nebel assoziiert ist, dies gilt aber nur für offene Sternhaufen! Ist das Objekt diffus (und die Aufnahme schlecht), kann ein „nebulöser" Eindruck entstehen.

Die Frage, warum die Beobachter des NGC/IC nicht mehr Palomar-Haufen gesehen haben, ist durchaus berechtigt, lassen sich doch heute alle Objekt mit mittelgroßen Dobsons (bis 20") auffinden (s.u.). Die damaligen Instrumente waren z.T. deutlich größer! Über mögliche Antworten kann man nur spekulieren. Manche Haufen liegen abseits der „sweep routes", also der Pfade auf denen visuell gesucht wurde. Der optische Eindruck ist aufgrund der geringen Sterndichte oft sehr diffus (Pal 5, 14, 15) und einige Objekte sind zudem „obscured", d.h. in der Milchstraße versteckt (Pal 6, 7 und 10). Wie auch immer, der relativ leichte Haufen Pal 11 etwa hätte früher entdeckt werden können! Neun Palomar-Haufen hat man 1963 auch auf dem Ross-Calvert bzw. Lick Sky Atlas gefunden [11]. Diese Sky Surveys wurden vor dem POSS mit dem Ross 5"-Objektiv aufgenommen.

Viele der anderen Bezeichnungen in Tab. 1 sind ebenfalls bemerkenswert, zeigen sie doch, daß das einige Objekte unabhängig als „Galaxie" entdeckt und katalogisiert wurden. Die Astronomen nahmen an, daß es sich um Zwerggalaxien, vermutlich aus der Lokalen Gruppe, handelte, bemerkten aber nicht die Identität mit den Palomar-Haufen. Es scheint, daß Kataloge von Kugelsternhaufen nicht genügend konsultiert wurden. Zur Entlastung muß man aber aus heutiger Sicht sagen, daß der Übergang von Kugelsternhaufen zu sphärischen Zwerggalaxien der Lokalen Gruppe recht fließend ist (wie z.B. beim Sculptor- oder Fornax-System). Einige Palomar-Objekte werden aufgrund ihrer großen Entfernung als „intergalactic tramp" bezeichnet.

Schauen wir uns die Tab. 2 genauer an und beginnen mit Pal 1. Zwicky hat in seiner siebten Liste kompakter Galaxien von 1964 das Objekt Nr. 7 (heute als VII Zw 7 bezeichnet) wie folgt beschrieben: „highly resolvable blue pygmy galaxy with possibly compact red nucleus and a possible spiral structure". Er entdeckte es auf dem POSS und schätzte die photographische Helligkeit auf 17,2mag. Es ist verwunderlich, daß der Palomar-Astronom Zwicky die Identität mit Pal 1 nicht gesehen hat. Wer sie letztlich zeigte, ist unklar. Noch 1984 hat George Paturel (Universität Lyon) das Objekt in seinen „Catalogue of Principle Galaxies" als PGC 13165 eingetragen. Ähnlich ist es bei Pal 2. Das Objekt taucht 1963 als Galaxie MCG 5-21-1 in Vorontsov-Velyaminov's Morphological Catalogue of Galaxies auf. Paturel hat es als PGC 15963 übernommen. Pal 3 wurde lange als Zwerggalaxie „Sextans C" der lokalen Gruppe gehandelt. Das Objekt taucht sowohl im MCG als auch in Zwicky's „Catalogue of Galaxies and of Clusters of Galaxies" (CGCG) auf. Besonders interessant ist die Bezeichnung UGC 5439. Auch in Nilson's „Uppsala General Catalogue of Galaxies" (1973) wird die Identität mit Pal 3 übersehen. Sie wurde später von Harold Corwin gezeigt. Auch Hubble's Pal 4 ist ein Außenposten der Milchstraße. Er wurde aber nur von Nilson im Nachtrag zum UGC als UGCA 237 katalogisiert. Er interpretiert das Objekt als „intergalactic star cluster" und identifiziert es korrekt mit Pal 4 (Abell 4). Der „Serpens Dwarf" Pal 5 ist in den wichtigen Galaxienkatalogen enthalten. Der UGC schreibt „resolvable dwarf, very uncertain dimension values". Corwin identifiziert UGC 9792 später mit Pal 5. Weitere Beispiele für „Galaxien" sind Pal 12, 13 und 15. Zwicky's „Capricornus System" (Pal 12) hat die längste Liste von Bezeichnungen (SGC = Southern Galaxie Catalogue). Interessant ist der Eintrag in deVaucouleur's erstem „Reference Catalogue of Bright Galaxies" (RC1) von 1964. Pal 12 erscheint dort als „anonyme" Galaxie A2144 vom Typ E0?pec. Im RC2 von 1976 taucht es als A2143-21 wieder auf. Der UGCA bemerkt die Identität mit Pal 12 (Abell 12). Das Objekt wurde, obwohl mittlerweile klar als Kugelhaufen erkannt, noch neu in die PGC-Version von 1996 als LEDA 140973 aufgenommen! Gleiches ist Pal 13 widerfahren (LEDA 141066). Interessant ist noch die Bezeichnung KARA 781 für Pal 15 (wegen Zwicky's Entdeckung auch als „Zwicky 1" bezeichnet). Dies steht für den Eintrag in Karachentseva's „Catalogue of Isolated Galaxies" von 1973. Das Objekt erscheint sogar als PGC 59400 im RC3 von 1991. Corwin entdeckte 1994 die Identität mit Pal 15. Im Kugelhaufen befindet sich übrigens der „faint blue star" ZL 198 (20,0mag) aus Zwicky u. Luyten's Liste von 1951. Die kryptische Bezeichnung für Pal 10 stammt aus dem neuen „2 Micron All Sky Survey" (2MASS). Es gibt auch standesgemäße Bezeichnungen für Palomar-Haufen, wie die im ESO-Katalog (SC = star cluster) für Pal 6, 8 und 9, wobei Pal 9 auch in Alter's Katalog offener Sternhaufen von 1970 als GCL-37 auftaucht. Die Namen „AvdB" und „Arp 1" für Pal 14 beziehen sich auf den Artikel von Arp u. van den Bergh [6] und sind nicht ganz korrekt, da nicht Arp, sondern van den Bergh der Entdecker ist. Es gibt noch einen zweiten Arp-Haufen (Arp 2 im Schützen), den Arp 1965 alleine fand.

 

Abb. 3 - Die Palomar-Haufen Pal 6, 7, 8, 9 und 10. Alle Aufnahmen sind aus dem POSS II und zeigen ein 5' x 5' großes Feld. Der helle Stern nördlich von Pal 9 ist m2 Sgr (5,0mag); Bigourdan's Sterngruppe IC 4802 ist markiert (s. Text).


Physikalische Eigenschaften

Da in dieser Rubrik der Schwerpunkt mehr auf „History" liegt, möchte ich die physikalischen Eigenschaften (s. Tab. 2) nur kurz streifen (ausführliche Darstellungen finden sich in [12], [13], [14] und [15]). Kugelsternhaufen bestehen aus einigen 10000 bis zu mehreren 100000 Sternen, die hauptsächlich der Population II angehören. Sie liegen im sphärischen Halo der Galaxis in typischen Zentrumsabständen von ca. 10 kpc. Die Palomar-Haufen sind über den gesamten Bereich des Halos verstreut. Sehr nahe am Zentrum sind Pal 6 (von dem es eine schöne Aufnahme im neuen 2MASS gibt) und Pal 9. Im extremen Grenzbereich befinden sich dagegen Pal 3 und 4, weit jenseits der Magellanschen Wolken. Noch weiter draußen (120,5 kpc) liegt nur noch der 1979 von Arp und Madore entdeckte Kugelhaufen AM 1 im Cepheus [16]. Die Verteilung der Palomar-Haufen am Himmel ist bemerkenswert, befinden doch einige in „untypischen" Sternbilder, wie z.B. Fuhrmann, Cepheus oder Ursa Major. Die wahren Größen schwanken zwischen 11 Lj (Pal 1) und 238 Lj (Pal 3). Kleine Haufen sind auch Pal 9 und 10, zu den großen Brocken gehören Pal 4 und 15. Pal 1 wird seit kurzem als der jüngste galaktische Kugelhaufen angesehen. Er ist, mit einem Alter von 6 bis 8 Mrd. Jahren, deutlich jünger als die Norm (10 bis 12 Mrd. Jahre). Ebenso „jugendlich" erscheinen auch Pal 3, 4 und 12 [17]. Pal 5 wurde mit der 1994 von Ibata entdeckten elliptischen Zwerggalaxie im Sagittarius (SagDEG) in Verbindung gebracht, die gerade den (entgegengesetzten) Rand der Milchstraße tangiert. Bekanntlich ist M 54 ein Kugelhaufen dieses Systems. Neuere Messungen der Raumgeschwindigkeit von Pal 5 - von dem es übrigens eine schöne Farbaufnahme im neuen Sloan-Survey gibt - zeigen aber, daß kein physikalischer Zusammenhang besteht. Bei einigen Palomar-Haufen wird vermutet, daß sie aufgrund ihrer Bewegung nur „Gäste" der Milchstraße sind, sie kommen also gerade zufällig vorbei! Wir sollten ihnen bei der Beobachtung freundlich zuwinken.

 

Abb. 4 - Die Palomar-Haufen Pal 11, 12, 13, 14 und 15. Alle Aufnahmen sind aus dem POSS II und zeigen ein 5' x 5' großes Feld.


Planung und Beobachtung

Alle Palomar-Haufen wurden bereits mit Amateurteleskopen gesichtet. Im Internet find man eine ganze Reihe von Beobachtungen, z.B. von Barbara Wilson mit ihrem 20" [18]. Interessante Beschreibungen einzelner Objekte findet man auch in den Artikeln von David Higgins (Pal 7, 8, 9, 11, 15) mit 24" [19], Steve Gottlieb (Pal 7, 9, 10) mit 17,5" [20] und Alan Whitman (Pal 12, 13) mit 8"/16" [21]. Man liest insgesamt heraus, daß der visuelle Eindruck in vielen Fällen weder mit dem Erscheinungsbild, das die Daten vermuten lassen, noch mit dem aus dem POSS übereinstimmt. Also: probieren geht über studieren! Der visuelle Erfolg erfordert eine gründliche Planung. Die Objekte sind allesamt schwach und man benötigt gutes Kartenmaterial. Von Vielen wird das Aufsuchen als schwierigster Teil empfunden, denn oft ist das Feld sehr sternreich oder der Haufen hebt sich kaum vom Himmelshintergrund ab. Man muß also genau wissen, wo das Objekt steht! Die Palomar-Haufen wurden erstmals in der Uranometria eingezeichnet (s. Tab. 2). Im Sky Atlas 2000 sind sie dagegen nicht enthalten. Daten findet man im Sky Catalogue 2000, Vol. 2 oder im Deep Sky Field Guide (DSFG).

Wie erscheinen die Palomar-Haufen „digital", also in den populären Planetariumsprogrammen und wie sieht man sie am realen Himmel? Betrachten wir dazu das Programm „Guide 7" und gehen die Haufen der Reihe nach durch. Um es vorweg zu sagen, das Bild ist düster und wahrscheinlich sieht es in vergleichbaren Programmen (The Sky, Megastar) ähnlich aus! Guide enthält unter „Kugelsternhaufen" eine Liste der Palomar-Haufen, GCL-Nummern oder „star cluster" aus dem ESO-Katalog sind nicht verfügbar.

Klickt man auf „Palomar 1", so erscheint nordwestlich des Kugelhaufensymbols die „Galaxie" PGC 13165 = VII Zw 7. Hier wurde die Identität übersehen! Gutgläubige Beobachter werden sicher angespornt, dieses seltene Paar aufzusuchen. Die Fahndung nach dem PGC-Objekt wird leider ewig dauern! Am Himmel ist Pal 1 nur bei genauerem Hinsehen im 20"er zu entdecken. Er ist klein und erscheint deutlich schwächer als angegeben. Eine Vergrößerung von 200x oder mehr ist notwendig.

Für Pal 2 ergibt sich in Guide ein ähnliches Bild, diesmal steht die „Galaxie" PGC 15963 = MCG 5-12-1 unmittelbar nordöstlich. Pal 2 war das „Objekt der Saison" in interstellarum 13 [22] und ist dort ausführlich beschrieben. Es wird aber von alle Beobachtern (einschließlich 18") als schwer bezeichnet. Im 20"er erscheint das Objekt klein, kann aber mit 288x direkt gesehen werden.

Guide zeigt Pal 3 ohne „Begleiter". Gibt man allerdings „UGC 5439" ein, so wird man zur Position des Haufens geführt, ein Symbol oder eine Identifizierung erscheinen aber nicht. Seltsamerweise liefert die Eingabe der MCG- bzw. CGCG-Nummer ein „ungültig". Mit 20" sieht man bei Pal 3 einen 2,5' großen, diffusen Fleck.

Pal 4 ist im Guide korrekt wiedergegeben (der UGCA-Katalog ist auch nicht enthalten). Das Objekt erscheint im 20"er schwach und ca. 2' groß und erfordert einen dunklen Himmel.

Guide zeigt Pal 5 richtig an. Über UGC 9792 wird man ebenfalls an die Position geführt. Es erscheint allerdings kein Symbol und eine Identifikation fehlt auch. Auch hier liefert die MCG- bzw. CGCG-Nummer ein „ungültig". Pal 5 zeigt eine geringe Flächenhelligkeit und ist entsprechend schwierig. Das Objekt erscheint recht groß (5'). Ein Haufenstern blinkt auf. Eine geringere Vergrößerung scheint günstiger zu sein.

Pal 6 wird im Guide richtig angezeigt (es gibt ja keine störenden Katalogeinträge). Das Objekt steht in unseren Breiten sehr weit südlich, daher ist eine Beobachtung schwierig.

Bei Pal 7 herrscht Chaos im Guide: Hier überlappen sich zwei Kugelhaufen, Pal 7 und IC 1276! Ein extrem seltener „Doppelhaufen"? Wohl kaum. Guide ignoriert die hinlänglich bekannte Identität. In den Daten von IC 1276 erscheint allerdings der Hinweis auf Pal 7. Barbara Wilson schreibt „it is a nice object" (im 20"er). Higgins sah im 24"er einen großen diffusen Fleck mit einem Feldstern am südlichen Rand.

Mit Pal 8 hat Guide (wie bei Pal 6) keine Probleme. Im 20"er erscheint das Objekt groß und andeutungsweise aufgelöst. Das Objekt steht recht südlich. Der Clou: Pal 8 wurde bereits im 4"er von Mitgliedern der FG Deep-Sky gesehen! [23]

Pal 9 ist durch die Identität mit NGC 6717 so bekannt, daß im Guide eigentlich alles klar sein sollte. Leider fehlt „Palomar 9" in der Kugelhaufenliste! Man kann also nur nach NGC 6717 suchen. In den Daten erscheint allerdings der Hinweis auf Pal 9. Die Suche nach IC 4802 liefert die richtige Position, es wird aber nichts angezeigt. NGC 6717 ist der einfachste Palomar-Haufen, wenn auch für unsere Verhältnisse recht weit südlich. Mit 16" ist er bereits auflösbar. Interessant ist, daß Pal 8 und 9 am Himmel nur etwa 4° auseinander stehen.

Pal 10 erscheint im Guide korrekt. Das Objekt ist schwierig. Im 16"er erscheint bestenfalls ein diffuses Wölkchen.

Auch Pal 11 wird im Guide richtig dargestellt. Der Haufen ist visuell bereits im 14"er sichtbar, eine hohe Vergrößerung ist erforderlich.

Pal 12 wird im Guide von der „Galaxie" LEDA 140973 überlagert! Hier fehlt wieder die korrekte Identifizierung. Die Eingabe „MCG -4-5-13" liefert ein „ungültig". Im 17"er ist Pal 12, obwohl recht weit südlich, ein relativ einfaches Objekt, mit 20" sind einige Einzelsterne sichtbar. Markant ist die südlich stehende Dreiergruppe von Sternen.

Bei Pal 13 zeigt Guide wieder das gewohnt inkorrekte Kugelhaufen/Galaxien-Paar: LEDA 141066 steht unmittelbar südwestlich. Die Eingabe „CGCG 430-61" ist wiederum „ungültig". Pal 13 ist auch im 20"er schwierig und selbst bei gutem Himmel und hoher Vergrößerung nur indirekt sichtbar.

Guide zeigt neben Pal 14 die Galaxie LEDA 100405, die aber diesmal tatsächlich existiert! Pal 14 ist selbst im 20"er aufgrund der extrem geringen Flächenhelligkeit sehr schwierig.

Östlich neben Pal 15 erscheint im Guide die riesige „Galaxie" UGC 10642. Über die Einträge im UGC, MCG und CGCG wird man zu diesem Objekt geführt, das natürlich mit Pal 15 identisch ist! Pal 15 ist wohl der schwerste Palomar-Haufen. Er hebt sich kaum von der Umgebung ab. Ein 20"er ist erforderlich.

Die von Harris [1] angegeben Koordinaten von Pal 14 und 15 (für 2000: 16 11 04.9 +14 57 29 bzw. 17 00 02.4 -00 32 31) sind meiner Meinung nach falsch. Tab. 2. enthält die korrigierten Positionen. Bei Pal 14 beträgt der Unterschied immerhin 1'.

Die wahre „challenge" zum Schluß: Wem der betagte „Messier-Marathon", also das Aufsuchen aller Messier-Objekte in einer Nacht, zu langweilig ist, für den gibt es den „Palomar-Marathon". Der Erfinder dieses hammerharten Rennens ist Douc Snyder (nicht mit Doc Schneider zu verwechseln), der den klaren Arizona-Himmel mit einem 20" Dobson beobachtet. Bis auf 3 Objekte (Pal 1, 2 und 13) hat er alle innerhalb von zwei Nächten geschafft! Läßt sich das noch übertreffen?

 

Tab. 1 - Entdeckung und Identifikation der Palomar-Haufen. GCL = Nr. aus dem Katalog von Ruprecht [24], C = Koordinatenbezeichnung der IAU. Weitere Erläuterungen im Text.

Pal Entdecker (Jahr) GCL C Identifikationen
1 Abell (1954) 6 0325+794 VII Zw 7, PGC 13165
2 Wilson (1955) 7 0443+313 MCG 5-12-1, PGC 15963
3 Baade, Wilson (1952) 14 1003+003 UGC 5439, CGCG 8-35, MCG 0-26-17, Sextans C, "10h cluster"
4 Hubble (1949), Wilson (1950) 17 1126+292 UGCA 237, "11h cluster"
5 Baade (1950), Wilson (1955) 32 1513+000 UGC 9792, CGCG 21-61, MCG 0-39-16, Serpens Dwarf
6 Abell (1952) 75 1740-262 ESO 530-SC21
7 Swift (1889), Abell (1952) 90 1808-072 IC 1276, Simeis 129
8 Abell (1952) 100 1838-198 ESO 591-SC12
9 W. Herschel (1784), Abell (1952) 105 1852-227 NGC 6717, ESO 523-SC14, OCL-37
10 Wilson (1955) 111 1916+184 2MASXi J1918024+183431
11 Wilson (1955) 114 1942-081
12 Harrington, Zwicky (1953) 123 2143-214 UGCA 421, A2144, A2143-21, MCG -4-51-13, LEDA 140973, SGC 2143-215, ESO 600-SC11, Capricornus System
13 Wilson (1953) 124 2304+124 UGCA 435, CGCG 430-61, LEDA 141066
14 van den Bergh, Arp (1958) 38 1608+150 AvdB, Arp 1
15 Zwicky (1959) 50 1657-004 UGC 10642, CGCG 25-16, MCG 0-43-6, PGC 59400, Zwicky 1, KARA 781

Tab. 2 - Daten der Palomar-Haufen. Rekt, Dekl = Position für 2000, StB = Sternbild, Ura = Seite in der Uranometria, V = integrierte visuelle Helligkeit (mag), V'c = Flächenhelligkeit des Kernbereichs (mag/arcmin2), h* = hellste Sterne (V bzw. Schätzung am POSS), Kl = Konzentrationsklasse (1 = sehr kompakt, 12 = extrem locker), RS = Entfernung von der Sonne in kpc (1 kpc = 3260 Lj), RG = Entfernung vom galaktischen Zentrum (kpc), d = Durchmesser (arcmin), D = linearer Durchmesser (Lj), berechnet aus RS und d.

Pal Rekt Dekl StB Ura V V'c h* Kl RS RG d D
1 03 33 23.0 +79 34 50 Cep 5 13,5 13,5 19 12 9,7 15,9 1,8 11
2 04 46 05.9 +31 22 51 Aur 96 13,0 10,5 18 9 26,9 34,8 1,9 49
3 10 05 31.0 +00 04 17 Sex 234 14,3 14,2 18 12 89,4 92,6 2,8 238
4 11 29 16.8 +28 58 25 UMa 106 14,2 14,7 17,7 12 99,6 102,2 2,1 198
5 15 16 05.3 -00 06 41 Ser 247 11,8 15,8 17,1 12 22,6 18,0 6,9 148
6 17 43 42.2 -26 13 21 Oph 338 11,6 12,7 20 11 6,7 1,4 7,2 46
7 18 10 44.3 -07 12 27 Ser 294 10,3 12,8 19 12 9,3 3,6 7,1 63
8 18 41 29.9 -19 49 33 Ser 340 11,0 10,9 15,4 10 12,4 5,2 4,7 55
9 18 55 06.2 -22 42 03 Sgr 340 9,3 7,6 16 8 7,1 2,4 3,9 26
10 19 18 02.1 +18 34 18 Sge 161 13,2 13,1 20 12 5,8 6,4 3,5 19
11 19 45 14.4 -08 00 26 Aql 297 9,8 11,4 14,6 11 12,6 7,6 3,2 38
12 21 46 38.8 -21 15 03 Cap 346 12,0 11,7 14,6 12 18,7 15,5 2,9 51
13 23 06 44.5 +12 46 19 Peg 213 13,8 14,7 17,2 12 26,3 27,2 1,8 45
14 16 11 00.3 +14 57 34 Her 200 14,7 16,7 17,6 5 72,2 67,3 2,1 144
15 16 59 02.4 -00 32 40 Oph 247 14,0 16,0 16 ? 43,6 36,9 4,2 174


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Es bedeuten: PASP = Publications of the Astronomical Society of the Pacific, AJ = Astronomical Journal, ApJ = Astrophysical Journal.